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  • Britta Bonten

Green Writing oder das Glück des Schreibens liegt in der Natur

geschrieben für das Blog start writing von Penoblo, erschienen am 11.01.2022

 


Wenn Natur und Mensch sich in Liebe verbinden, wird entweder

ein Gedicht daraus oder ein Grashalm.


Sprichwort aus dem 18. Jh.




Image by Ben White on Unsplash

 

1. Green Writing – Was soll das sein?

Während der Recherche zu diesem Beitrag werden zwei Dinge klar: Erstens kennt die deutsche Sprache keine passende Übersetzung von Green Writing! Die mageren Suchergebnisse reichen von „grüne Schrift“ bis zu Unterrichtsmaterial verschiedener Lehrbuchverlage – wer erinnert sich nicht an Green Line? Zweitens findet sich keine einhellige Bedeutung. Ganz im Gegenteil. Ich stoße auf eine thematisch reichhaltige Palette, die von Naturlyrik, dem Spannungsverhältnis Mensch versus Natur, über Romantizismus und Ökoliteratur bis hin zu Reisebeschreibungen und Grüner Journalismus reicht. Letzteren gibt es tatsächlich!


Als thematisch verwandtes Snippet wird uns Nature Writing angeboten mit dem entschuldigenden Hinweis, es sei nicht leicht übersetzbar. Ach was! Als Abgrenzung zu den objektiven Naturwissenschaften steht beim Nature Writing der beobachtende und beschreibende Mensch mit all seinen Sinnen im Mittelpunkt und kann auch Subjekt des Schreibergebnisses werden. Wir kommen der Sache näher!


Ein dritter Begriff durchkreuzt die Recherche, nämlich Creative Writing, das übersetzbar ist mit Kreatives Schreiben. Es hat verschiedene Ausprägungen, deren Gemeinsamkeit der kreativ-sprachliche Prozess ist. Dabei steht das erlebnisorientierte Schreiben im Fokus. Die schreibende Person nutzt das Potenzial all ihrer Sinne und aus diesem vielschichtigen Sinneseindruck entsteht sprachlicher Ausdruck.


Mitunter wird für das Kreative Schreiben ein meditatives Naturerleben vorausgeschickt, bei dem das achtsame Erleben mit allen Sinnen nach außen gerichtet ist. Findet dieses Erleben seinen Weg via Kopf-Herz-Arm-Hand-Stift aufs Papier (oder Display), sprechen wir von meditativem Schreiben.


Letztlich schlagen wir den pragmatischen Ansatz nach Elisabeth Klempnauer vor: Green Writing ist eine Kombination aus kreativem Schreiben und meditativem Naturerleben. Beides beflügelt sich gegenseitig: Das direkte Erleben der Natur bereichert den kreativen, biografischen und meditativen Schreibprozess. Das Gestaltende beim Schreiben intensiviert wiederum das meditative Erspüren der Natur. https://schreiben-bewegt.de/?page_id=150

Dieses Verständnis eröffnet uns eine Fülle an Schreib-Möglichkeiten: Alles ist erlaubt – nichts muss; alles kann & darf!


2. Natur – ein Dauertrend?

Was genau ist Natur? Natur ist der Teil unserer Welt, der nicht von Menschenhand geschaffen wurde, sondern von selbst entstanden ist. Schon Aristoteles definierte Natur als etwas, das sich selbst macht. Durch das Nutzbarmachen ihrer vier Elemente (Wasser, Feuer, Erde, Luft), haben wir Menschen uns überhaupt erst ent- und weiterentwickeln können.


Gegenwärtig scheint es, als würde der Mensch erneut mehr Nähe zur Natur suchen! Spaziergänge im Grünen liegen seit der C-Pandemie voll im Trend. Mehr Menschen ziehen wieder von der Stadt aufs Land. Handelt es sich dabei etwa um eine Flucht vor der harten Realität des durchschüttelten Alltags? Diesen Eskapismus gab es bereits im Realismus des 19. Jahrhunderts, bei dem es um ein Naturerlebnis „als einsame und gesellschaftsferne Erfahrung“ ging. Das klingt doch ziemlich aktuell!


Vielleicht finden wir in der Natur aber auch die Harmonie, die wir im restlichen Leben so schmerzhaft vermissen!? Vielleicht? Nein, ganz sicher! In Japan ist beispielsweise Waldbaden eine anerkannte Heilmethode, da das Sich-verbinden mit den Bäumen wissenschaftlich bewiesen den Cortisol-Level senkt, bestimmte Proteine zur Krebsabwehr erhöht und den Alltagsstress insgesamt deutlich reduziert!



3. Der Nutzen von Green Writing

Beim Green Writing spielt die Farbe eine wichtige Bedeutung! Der überwiegende Teil der Flora ist Grün. Grün ist das Ergebnis von Blau vermischt mit Gelb. Es erinnert uns an Frische, Kraft und Natürlichkeit. Ohne das Grün des Chlorophylls, das sich – Fun Fact (!) aus Blaualgen entwickelt haben soll – könnten wir vermutlich nicht atmen, nicht existieren. Die natürliche Farbpalette von Grün ist zudem extrem vielfältig – von dunklem Tannengrün bis zu hellem Gras- oder Apfelgrün.


Wie aber kommt es, dass das Grün der Natur (viele von) uns Menschen magisch anzieht? Bereits Goethe wies auf die harmonisierende und ausgleichende Wirkung von Grün hin und auch moderne Schriftsteller*innen wie Christa Wolf oder Sarah Kirsch schrieben in ihren Gedichten über das Glück ihrer Wirkung. Viele Kulturkreise assoziieren mit Grün Hoffnung, Natur, Frische und Lebenskraft.


Regelmäßiges Schreiben in der Natur fördert grundsätzlich unsere Wahrnehmung und kreative Entfaltung. Wählen wir eine meditative Form des Schreibens mit genauer Beobachtung und präziser Formulierung dessen, was wir mit unseren Sinnen aufnehmen, so eröffnet sich beim Schreibprozess ein Weg, der zu uns selber führen kann. Das Einzigartige dabei ist, dass die Natur ultimativ ist, unbestechlich und unverrückbar.



4. Green Writing konkret

Wir könnten uns doch genauso gut vor ein Fenster setzen, einfach aufs Grün schauen und dann schreiben!? Nein, hinter Glas sitzend bekommen wir nicht die Unmittelbarkeit der Natur zu spüren! Nur als Beteiligte in der Natur werden unsere Sinne geschärft, wenn wir schmecken, riechen, hören, berühren & fühlen, sehen.


Wenn wir unser ideales Außen-Plätzchen ausgespäht haben, das Wetter uns in den Sessel der Natur einlädt, können wir mit dem Schreiben loslegen. Am besten setzen wir uns entspannt und bequem auf eine gepolsterte Unterlage (Picknickdecke, Kissen)! Ein Baum eignet sich hervorragend als Rückenlehne. Wie zuvor erwähnt, alles darf und kann sein, nichts muss!


Wer eine Schreib-Anregung braucht, findet hier ein paar Schreib-Übungen:

  • Den Weg zum Schreibspot achtsam und mit allen Sinnen gehen

  • einen Teilaspekt, z. B. ein hinunter hängender Ast, genau beschreiben

  • Dialog führen mit Blumen, Bäumen, Wolken, Gräsern…

  • Sich eine Geschichte ausdenken, die hier und jetzt spielt mit Akteuren der Natur

  • Reime finden zu Naturschätzen (Steine, Pflanzen usw.)

  • Neologismen finden

  • Gedichte schreiben

  • Notieren von Gedanken ohne abzusetzen

  • Buchstabenformen in der Natur finden…


Weiterhin können wir uns fragen, was bestimmte Landschaften oder Naturschätze, auf die wir an Ort und Stelle treffen, in uns auslösen? Woran erinnert uns das Blatt? Das Schreiben vergegenwärtigt unseren Gedankenstrom und bietet einen Fundus für weitere Ideen und Anregungen. All diese Erfahrungswerte reichen von meditativ, über spielerisch, fantasievoll bis zu erkenntnisreich. Vielleicht finden wir auch Trost in der Natur, sollte uns Kummer belasten. Tiere, Vogelstimmen oder tanzendes Laub im Wind können uns auf andere Gedanken bringen und mit Glücks-Gefühlen aufmuntern.


Was immer wir draußen notieren, wie immer wir unsere Sprache dabei formen – Green Writing leistet laut Klempnauer Kulturarbeit, indem wir Menschen uns in einer reicheren Sprache vertiefen und sie versinnlichen. Zusammen mit dem biografischen Schreiben fördert Sprache den Zugang zu uns selber, zu anderen und zur Welt. Sie vermittelt uns ein Gefühl der Zugehörigkeit, Teil des Ganzen zu sein mit der Freude am Dasein!


Wenn das keine Einladung ist, das kleine große Glück beim Schreiben in der Natur zu finden! Das Beste daran: Jede*r einzelne wird erfolgreich sein! Also, greif zu Stift & Papier und nix wie raus und ran an die Challenge – ok, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt oder darunter oder bei Schnee & Eis ist das natürlich in der Tat herausfordernd! Wer doch lieber bis zu schreibfreundlicheren Temperaturen wartet, der kann zwischenzeitlich ein mögliches Lieblingsplätzchen in der unmittelbaren Umgebung ausmachen, inspizieren und gedanklich reservieren, wenn die ersten wärmenden Sonnenstrahlen eintreffen. Allerdings: Schlechtes Wetter gibt es bekanntlich ja nicht – mit der richtigen Kleidung soll alles möglich sein!








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